Jetzt sitze ich doch tatsächlich hier und schreiben einen Beitrag über Jan Böhmermann und die Frage: Was darf Satire? Vor einigen Tagen habe ich noch vollmundig erklärt, dass ich auf diese Diskussion überhaupt keine Lust habe, sondern ein Video bereitstellen möchte, dass zufällig eben vom “Satire-Böhmi” kommt.
Heute, elf Tage später, bin ich eines Besseren belehrt und muss feststellen, dass das Thema mitten in unser aller Leben aufgeschlagen ist und dass es besprochen werden muss. Nicht nur, weil mein Handy heute nicht still stand – Whats App Gruppen sind die rechtmäßigen Erben der Stadtschreier – sondern vor allem, weil es der medialen Berichterstattung seit der Ausstrahlung des “Schmähgedichtes” gelungen ist, permanent die falsche Frage zu stellen: Was darf Satire?
Ich bin mir sicher, dass noch Generationen von Jurastudenten mit dem Fall Böhmermann konfrontiert werden, jetzt da es offiziell ist und wir alle Zeuge davon werden dürfen, wie der vergessene Paragraph 103 des Strafgesetzbuches – die sog. Majestätsbeleidigung – tatsächlich Verwendung findet. Es ist tatsächlich wahr. Die Majestätsbeleidigung wird juristisch geprüft. Selbstverständlich auch die “normale” Beleidigung, aber gegen diese hätte sich Böhmermann sowieso zu wehr setzen müssen, denn hierfür ist die Zusage der Regierung nicht notwendig. Wir sehen uns also mit einem juristischen Novum der letzten vierzig Jahre konfrontiert.
Ich habe heute aufmerksam die Berichterstattung verfolgt, konnte während eines Friseurbesuches sogar den Leitartikel des Stern lesen, der entgegen aller Erwartungen sehr gut war, überflog halbstündlich die sozialen Netzwerke und kam aus dem Kopfschütteln einfach nicht mehr heraus.
Was darf Satire? Wenn ich diese Frage noch einmal in diesem Kontext hören, ist die Gefahr sehr groß, dass sich mein Verstand für einige Wochen in den Standby Modus verabschiedet. War die Fragestellung zu Anfang noch verständlich, ist sie mittlerweile gleichbedeutend dämlich, wie die Frage nach der Ankunft von Godot. Es geht hier doch schon seit Tagen nicht mehr darum ob er das darf oder nicht. Es geht darum, warum wir überhaupt noch darüber berichten? Wieso bieten wir die Bühne für ein absurdes Politik-Stück? Wieso muss ein türkischer Präsident diesen Kampf ausfechten? Wieso – in Herr Gotts Dreiteufelsnamen – schützt man einen Künstler nicht mit unseren politischen und juristischen Möglichkeiten?
Es ist erbärmlich; es ist eine Schande.
Betrachtet man das Gedicht Isoliert, ohne Kontext und der Sendung, ist Böhmermann zu weit gegangen. Ob in der juristischen Theorie hier eine Straftat vorliegt oder nicht, ist aber egal – hierfür wird ein Anwaltsapparat ordentlich Zeit und Geld aufbringen und wir werden es verfolgen dürfen. Nein, die Frage ist eben nicht durfte er das, oder darf er als Vertreter der Satire das. Die Frage ist, ob wir verdammt noch mal nichts Besseres zu tun haben. Müssen wir, muss die Bundesregierung hier nicht der Justiz die Hilfestellung geben und sagen: “In Ordnung Freunde, wir wissen alle, dass das an der Grenze war. Herr Böhmermann mäßigen Sie sich. Wir wissen aber auch, dass ein Prozess hier absoluter Unsinn ist. Wir lehnen den Antrag daher ab.”
Ich hoffe inständig, dass wir irgendwann auf diesen Nenner kommen und irgendjemand diese Farce beendet und richtige Probleme angegangen werden. Bis dahin….
Es ist erbärmlich; es ist eine Schande.