Der Echo und die Geister die er rief

Der wichtigste Musikpreis Deutschlands , der “Echo”, wurde gestern verliehen und jeder, der darüber in der aktuellen Medienwelt liest, wird über die Band Frei.wild stolpern und darüber, wie beschämend (Spiegel Online) oder abgestumpft (Süddeutsche Zeitung) es ist, dass die Band den Preis für die beste/erfolgreichste Band Rock/Alternative/National bekommen hat. Wer Frei.wild nicht kennt, wird sich allerhöchstens an den Boykott vor zwei Jahren erinnern, als u.a. die Bands “Kraftclub” und “Jennifer Rostock” die Veranstaltung boykottieren, weil sie “… in keiner medialen Berichterstattung rund um die Preisverleihung auf Augenhöhe mit dieser Band erscheinen (wollen).”
Frei.wild, dass kann man ohne augenzwinkern sagen, ist eine Deutschrock-Band, die besonders durch Lieder auf sich aufmerksam macht, in denen ihre Heimatverbundeheit zum Ausdruck gebracht wird. Dabei distanziert sich die Band sehr deutlich von der Unterstellung, sie seien rechtsradikal oder gar Neonazis, sie widmen sogar ganze Lieder diesem Thema, u.a. “Land der Vollidioten“.
Nun ist da also diese Band mit dem – für Kritiker – rechtsradikalen Touch, die viele Platten verkauft und so natürlich nach den Echo Regularien auch zum Aufgebot gehört, die aber keiner so recht dabei haben will. Wem hier das Augenlid zuckt und ein “Moment mal, da war doch was” durch den Kopf schießt, der hat vollkommen Recht. Bereits die “Böhsen Onkelz” haben diesen Tanz mit dem Echo geführt, wurden erst nach Ihrer Auflösung mit einem Echo ausgezeichnet (Für Ihre DVD über das Abschiedskonzert – wer da nicht schmunzeln muss…) und waren ein regelmäßiges Störfeuer. Auch die Onkelz hatten sich von der rechten Seite distanziert, auch sie schrieben Deutschrock Lieder mit markigen Texten über Zusammenhalt, Ehrlichkeit und Solidarität.
Nun gewinnt Frei.wild gestern den Echo und das schlimmst anzunehmende Szenario tritt ein. Die Band geht auf die Bühne  (ein kleiner Mittelfinger wegen Buhrufen inklusive), und verliest ein Statement, dass recht eloquent (Zitat Daniel Koch Intro.de) die Band und ihre Fans thematisiert und so schonungslos zeigt, woran der Echo scheitert.
Dass Frei.wild eine erfolgreiche deutschsprachige Band ist, lässt sich nun mal nicht verleugnen, ob man es nun mag oder nicht. Das gleiche galt oder gilt z.B. für Bushido oder Kolegah, die ebenfalls Musik produzieren, bei denen die Kritiker nicht ganz wissen, wie sie es nun nehmen sollen.

Der Echo hat ein Problem mit den Geistern die er selbst rief. Man kann sich nicht als der wichtigste Musikpreis Deutschlands positionieren und die erfolgreichsten Bands des Landes aussperren. Dass den Machern ein Groenemeyer oder Westernhagen lieber ist, ist dabei nur logisch, aber die Realität ist nun mal eine andere. Selbstredend kann Frei.wild, bei aller Mühe, die man sich gibt, gegen Rechts zu schießen, sich nicht davon “frei” machen “wilde” Rechte durch ihre Texte anzusprechen. Im rechten Gedankengut geht es nun mal um Werte der Heimat, der Solidarität, der Ehrlichkeit. Genauso wie es den Hippies nicht nur darum ging gegen den Krieg zu sein sondern auch ein bisschen darum high zu sein – die Bands machten da keine Ausnahme. Die Frage, die sich der Echo längst stellen müsste, ist, was man eigentlich will. Will man erfolgreiche Musik mit Preisen versehen, oder “gute” Musik – was man auch immer darunter verstehen mag.

Wenn man mich fragt, hat der Echo gestern seinen Tiefpunkt erreicht. Man wurde vorgeführt, hat sich selbst hintergangen, wollte in die Mitte zurückkehren, Wiedergutmachung betreiben und hat es ordentlich verbockt: Helene Fischer hat den Preis für die Kategorie Crossover bekommen, mit Ihrem Album “Weihnachten”. Nominiert war auch Bratislava Symphony Orchestra (35 Jahre Böhse Onkelz – Symphonien und Sonaten). Das wäre ein Zeichen gewesen!

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